... Angst hervorragend ist
Niemand braucht zwei Stunden Sondersendung über das russische Bombardement in der Ukraine.
Erst recht nicht die, die einst unter dem Schock eines Krieges gelitten haben. Und noch immer unter diesem Trauma leiden. Aber gerade sie werden vom Fernsehen mit Reportagen überfallen, die ihre Erfahrungen neu auslösen.
Doch was können sie dagegen tun? Sich einreden: Dieser Krieg - irgendwo in der Ukraine - hat mit ihnen nichts zu tun. Was dort passiert, kann uns hier - im sicheren Hamburg - nicht erreichen. Wirklich nicht?
Was ist denn mit all‘ den Flüchtlingen, die mitten in der Nacht unser schönes Hamburg erreichen? Hungrig, durstig, mit kleinen übernächtigten Kindern an der Hand? Und der ganz und gar fürchterlichen Ahnung, für immer vertrieben worden zu sein.
Selbst angesichts dessen fragen wir uns, woher unsere Angst rühren könnte? Schließlich war sie stets ein erfahrener und zuverlässiger Ratgeber. Ein langes Leben lang hat sie uns gewarnt. Wir spürten allenfalls: Wenn unser Herzschlag hoch und unsere Verdauung runter fuhr, musste irgend etwas nicht stimmen. Doch was?
Wir verdrängen die Antwort noch immer. Verschanzen uns lieber hinter unserer Tagesordnung. Sonst müssten wir uns am Ende noch eingestehen, warum wir tatsächlich Angst haben. Will Putin die Sowjetunion wirklich zurück? Droht uns sogar in Deutschland Krieg?
Über so etwas sprechen wir natürlich nicht, sondern sagen: Die Waldfrucht-Marmelade ist hervorragend. Angst beim Frühstück? Noch nicht.
K. Bl.